Hoffentlich hinkt der Vergleich nicht zu sehr


Ein Blog zu führen ist ein bisschen wie Nachtwache allein. Wertschätzung darf man nicht erwarten. Ich bin über jede kleine Aufmerksamkeit froh. Was nachts abläuft, bleibt unsichtbar. Ebenso kommt es mir vor, wenn ich Beiträge in mein Blog stelle. Vielleicht schreibe ich zu viel von der Nachtseite des Lebens. Ich kämpfe mich durch die endlose Nacht, und wenn am Morgen die Kollegen zum Frühdienst erscheinen, ist es, als ob die Welt wechselt. Manchmal glaube ich selbst unsichtbar zu sein. Ich löse mich vor den Augen der Kollegen auf wie die Nacht selbst.
Nein, ich will mich nicht beklagen. Die Welt ist nun mal so. Der Autofahrer schimpft über unachtsame Fußgänger, und wenn er aus dem Auto steigt und selbst zum Fußgänger wird, schimpft er über unachtsame Autofahrer. Objektiv sind meine Sympathien immer bei den Schwächeren. Und das sind die Fußgänger im Verkehr oder die Nachtwachen im Altenheim. Ich gehe von dem moralisch naiven Ansatz aus, dass der Stärkere gefälligst auf den Schwächeren Rücksicht nehmen sollte. Der Nachtdienst nimmt meist eine Außenseiterposition in den Heimen ein. Er ist unbeliebt. Ich meine nicht die Personen sondern den Dienst selbst. Gerade wenn man ihn alleine leisten muss.
Aber ich wollte gar nicht über die Problematik des Nachtdienstes schreiben. Die ist hirnnreichlich bekannt, finde ich. Ha ha, „hirnreichlich“, ich verschrieb mich und gebar dabei dieses köstliche Wort.
Es war der Gedanke, dass ein Blog führen in mancher Hinsicht mit der Nachtwache allein vergleichbar ist. Die eigene Gedankenwelt ist anderen, fremden Menschen schwer zu vermitteln. Sowieso kann man sie in den Beiträgen nur anreißen. Oft bin ich enttäuscht von der geringen Resonanz. Daran gewöhne ich mich nie wirklich. Ebenso am Morgen, wenn der Frühdienst kommt, und ich hatte eine anstrengende Nacht und warte auf ein bisschen Mitgefühl oder ein paar freundliche Worte – meist gehe ich leer aus. Die Kollegen sehen ungern zurück in meine Nacht, sie sehen nur den Tag, den sie vor sich haben. Die Nachtwachen sind nicht nur in der Nacht alleine …

iGing (Gast) - 06. Aug. 14, 17:15

Die Resonanz kann durchaus da sein, auch wenn sie sich nicht in Kommentaren niederschlägt. Du bekommst sie dann natürlich nicht mit. Aber man kann ja auch nicht alles kommentieren. Gegen das Alleinsein hilft kein Blog und kein Kommentar. Noch nicht einmal andere Menschen. Andererseits ist Alleinsein kein unentrinnbares schweres Los, denn seinen eigenen Gefährten hat man sozusagen immer dabei: Es ist die größte Freude, mit sich selbst zusammen zu sein. Was will man mehr?

bonanzaMARGOT - 06. Aug. 14, 17:24

Ich beklage mich hier nicht über das Alleinsein mit mir selbst - sondern mich stört das Alleinsein in einer Umgebung, respektive das Altenheim oder ein anderer Ort ... Also das Alleinsein in der Gesellschaft ist doch das, was dieses manchmal unerträgliche Gefühl der Einsamkeit hervorbringt. Oder liege ich da falsch? Einsamkeit ist in unserer Gesellschaft weit verbreitet - denke ich - nicht nur bei Nachtwachen oder alten Menschen sondern querbeet.
iGing - 06. Aug. 14, 18:03

Einsamkeit ist ein Symptom, das auf Entfremdung vom eigenen Selbst hindeutet. Das ist allerdings in unserer Gesellschaft ein sehr verbreitetes Phänomen.
Ja, man kann sich mitten unter Menschen total einsam fühlen. Aber das hat mit den anderen überhaupt nichts zu tun, sondern mit einem selbst. Ist man eins mit sich, fühlt man sich auch nicht einsam.
Was man im Laufe des Prozesses der Selbstentfremdung "angerichtet" hat, fällt natürlich irgendwann auf einen selbst zurück. Zumindest ist es hilfreich, sich manchmal zu fragen, wo man die falsche Abzweigung genommen hat.
bonanzaMARGOT - 07. Aug. 14, 09:46

also, die einsamkeit z.b. im altenheim oder die vereinsamung von alten menschen in der stadt hat meiner meinung nach nicht mit der entfremdung der menschen vom eigenen selbst zu tun sondern mit dem materialismus und der kälte der gesesllschaft.
sicher gibt es auch eine einsamkeit durch psychische erkrankungen wie sucht und depression, aber von dieser pathologischen form der einsamkeit redete ich hier nicht.
XY (Gast) - 06. Aug. 14, 18:08

Und ich dachte, Du hättest im Altenheim gekündigt?

bonanzaMARGOT - 06. Aug. 14, 20:32

1. Wer steckt hinter XY?
2. Es gibt eine Kündigungsfrist.
3. Ich kündigte nicht sondern bat um eine Auflösung des Arbeitsvertrags.
4. Der Chef wollte mich nicht zu dem von mir gewünschten Zeitpunkt Ende Juni gehen lassen.
5. Wir setzten mein Ausscheiden aus der "Firma" für den 30.09.14 fest.

Ich hoffe, ich konnte die Neugier XYs befriedigen.
YZ (Gast) - 07. Aug. 14, 09:44

Gute Morgen!

Danke für die Auskunft! Solche Mitarbeiter wie Dich braucht der Staat.
bonanzaMARGOT - 07. Aug. 14, 09:48

vor allem braucht unsere gesellschaft feige anonyme stänkerer, die ihren faulen hirngeruch verbreiten.
XZ (Gast) - 07. Aug. 14, 09:53

Du bist schon ein merkwürdiger Typ. Einerseits bettelst Du um Kommentare, und andererseits beschimpfst Du Deine Kommentatoren.
Aber wenn Du meinst...
bonanzaMARGOT - 07. Aug. 14, 09:55

wenn mir jemand (dazu noch anonym) mit dummen bemerkungen ans bein pisst, reagiere ich entsprechend.
diefrogg - 06. Aug. 14, 18:52

Ja, Aufmerksamkeit ist ein...

knappes Gut. Das musste ich auch lernen - allerdings schon im Journalismus. Aber beim Bloggen gibts davon sogar noch weniger. Wobei: Wenn man keine Kommentare bekommt, heisst das ja nicht, dass man nicht gelesen wird. Ich lese Dich immer sehr aufmerksam. Nur kommentiere ich häufig nur dann, wenn ich streitlustig bin - und das bin ich letzter Zeit viel seltener.

bonanzaMARGOT - 07. Aug. 14, 09:52

klar, es kommt drauf an, ob einen das thema interessiert oder reizt.
ich schreibe auch lieber zu beiträgen, wenn ich was zu motzen habe - lach!
es ist auch die frage, wie gut man die blogger kennt. man entwickelt hier wie überall seine vorlieben.
kontor111 - 07. Aug. 14, 11:11

Das ist das Schwerste -

ohne Resonanz von außen sein Ding zu machen.
Und das Beste.
Ich habe auch einmal sehr, sehr lange auf Resonanz meiner Arbeit gehofft - da ich in einem reinen Männerteam arbeitete, war das wie Hoffen auf Regen in der Wüste.
Völlig frustriert habe ich dann nach sieben Jahren "sozialem Engagement" gekündigt. Kündigungsgrund: Mangelnde Wertschätzung.
Die Kollegen waren erstaunt: Wieso das denn - uns lobt ja auch keiner...!
Was das Schreiben anbetrifft, so ist das ebenfalls eine einsame Sache.
In den sogenanntenSchreibforen ist ein Hauen und Stechen - das ist eher zum Abgewöhnen...
Ich hatte gehofft, mit einem Blog mehr Austausch mit Lesern zu bekommen - ich habe zwar ein Buch veröffentlicht, bekomme aber auch dazu keinerlei feed-back.
Und das ist es, was der Mensch braucht: Austausch, kreativen Austausch.
Nicht "Lobhudelei", nicht "Klicks", nicht "likes" - sondern Wahrnehmung und Anregung durch andere.
Meine Erfahrung und Wahrnehmung anderer ist eine allumfassende emotionale Vereinsamung - und die sogenannte Party-Generation bringt es auf den Punkt: Poppen&Saufen, bis der Arzt kommt - Hauptsache, man "spürt" sich im Meer der Menschenleiber...

bonanzaMARGOT - 07. Aug. 14, 11:42

als nachtwache ist man sowas wie das stiefkind unter den diensten. da gibt es schon zweimal keine wertschätzung oder beachtung der leistung. die einzigen anmerkungen sind kritik, oder was man noch zu machen hätte.
da muss man sich oft selbst die seele streicheln, und gott sei dank gibt es ein paar wenige dankbare alte.
dass ich nun eine pause einlege, ist dringend nötig.

schreiben ist für mich nicht pflicht sondern wird aus einem inneren bedürfnis heraus geboren. dadurch bin ich dahingehend weniger auf wertschätzung oder aufmerksamkeit angewiesen. aber natürlich wünsche ich sie mir doch, ein paar stimmen wenigstens, die sich zu meinen beiträgen und gedichten melden.
auch ist ein feedback nicht schlecht, um sich stilistisch zu verbessern oder das ein oder andere inhaltlich neu zu reflektieren.
es muss gar nicht versiert fachlich sein. ich bin selbst laie - aber man kann schon sagen, was einem gefällt und was weniger. wobei eine kurze begründung ganz hilfreich ist.
ich weiß, das ist bereits viel verlangt. und solche "konstruktive kritik" erhält man mehr in diesen von dir angesprochenen foren und nicht auf den blogs. bevor ich auf den blogs schrieb, war ich jahrelang in der leselupe und verkrachte mich dort regelmäßig mit einigen mitgliedern und den moderatoren. aber ich lernte auch ein paar angenehme zeitgenossen kennen, zu denen ich über das forum hinaus kontakt hielt. es zieht mich aber nicht mehr in solche foren zurück - zu viel "kindergarten- und platzhirsch-gehabe".
mit den blogs bin ich autarker, allerdings auch etwas einsamer.

schön, dass du ab und zu bei mir liest und kommentierst. du schreibst recht flüssig und humorvoll - das gefällt mir.
ich finde bücher gut, die sich leicht lesen lassen ..., und das hat gar nichts mit leichter muse zu tun. im gegenteil halte ich es für große kunst, so schreiben zu können. manche glauben vielleicht, dass schwierige bzw. schwere inhalte auch schwer zu lesen sein müssten. das sehe ich ganz anders. ich mag autoren/autorinnen, die ganz unprätentiös mit ihrer schreibkunst zu Werke gehen.

danke für deinen kommentar - der tat gut.
kontor111 - 07. Aug. 14, 18:26

Jetzt wird`s interessant,

bei der Leselupe habe ich auch mal geschrieben - und hatte schnell von Platzhirscherei und Stutenbissigkeit die Nase voll. Was mich wirklich aus der Fassung gebracht hat: Absolute Humorfreiheit sogenannter Admins (Eine junge (!)Administratorin ermahnte mich z.B., meine "radikal-feministischen Äußerungen" zu unterlassen) und meistens musste ich den Kommentatoren erklären: Hey, das ist eine SATIRE!
Wir scheinen bei der Lektüre-Auswahl einen ähnlichen Geschmack zu haben: Nazim Hikmet. Als ich meinen türkischen Ehemann kennenlernte, war Hikmet in der Türkei verboten - wir haben in kurdischen Teestuben viel Filme zu seinen Werken gesehen.
Du hast übrigens Recht: Das Leichte ist oft das Schwerste.
Meine Leseempfehlung dazu:Simon Borowiak "Schade um den schönen Sex" und "ALK".
Frau UND lustig - das ist für manche schon der Angriff schlechthin.

bonanzaMARGOT - 07. Aug. 14, 18:48

Mein Interesse liegt bei geistig ebenbürtigen und selbstbewussten Frauen und nicht bei welchen, die sich devot vor mir niederknien. Ich wünschte mir schon immer eine ebenbürtige Partnerin. Auch sexuell.
Durch meine jahrelange Arbeit im Altenheim entwickelte ich ein gewisses Selbstverständnis im Umgang mit Frauen.
Es arbeiten in Altenheimen immer noch zwei Drittel Frauen. Als ich als Zivi anfing, war ich sogar ab und zu der einzige Mann in der Pflege und wurde wohltuend von den "Dämlichkeiten" hofiert.

In der Leselupe war ich von 2001 bis 2006. Was hattest du denn für einen Nick. Möglicherweise fetzten wir uns ...
Egal. Das ist für mich Schnee von gestern.
Nachtvogel (Gast) - 08. Aug. 14, 02:11

Lieber Bonanza,

was für ein glücklicher Zufall, dass du gestern diesen Blogbeitrag geschrieben hast. Ich hatte heute die Idee, dir etwas Schönes zu schreiben, und wusste nicht, wo ich es unterbringen sollte. Ich denke, hier passt es hin.

Ich möchte dir sagen, dass du ein großartiger Mensch bist. Deine Seele leuchtet nachts in der Dunkelheit. Vielleicht weißt du das nicht. Oder du vergisst es, wenn du müde, traurig und enttäuscht bist. Aber es ist so.
Denke daran, wenn du wieder einmal müde von der Nachtwache heimkommst und es dich traurig macht, dass niemand in deinem Blog kommentiert hat. Denke daran, wenn du dich unter Menschen allein fühlst. Denke daran, wenn die Selbstzweifel an dir nagen: Du bist großartig, und du leuchtest von innen.

Verzeih, dass ich dir das anonym schreibe. Es hat nichts zu bedeuten. Ich kenne dich aus deinen Blogbeiträgen und Gedichten, aber du kennst mich nicht.

Liebe Grüße!

bonanzaMARGOT - 08. Aug. 14, 10:28

danke. dein kommentar ist ein sehr schöner "aufsteller" am fortgeschrittenen morgen nach einer unruhigen nacht.
wenn du mich nur vom lesen meiner blogs kennst - wie kannst du da meinen, dass ich von innen leuchte? obwohl mir das natürlich runtergeht wie öl. okay, egal.
ich sollte meine skepsis einmal an den nagel hängen.

lieber unbekannter nachtvogel, dir einen schönen sonnentag!

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