Ein echtes Kinoabenteuer - "Der seltsame Fall des Benjamin Button"

Das letzte Stück zum Kinocenter müssen wir zu Fuß zurücklegen, vom Wiesenplatz aus die Zollstraße entlang. Vor uns laufen zwei junge Frauen. Ich höre die eine den Namen Brad Pitt erwähnen und sage zu Meral, dass sie bestimmt auch in den Film gehen. Es ist dunkler Abend, klamme Februarwitterung.
Zwei Tage zuvor gingen wir denselben Weg, um Fleisch einzukaufen, das in Deutschland um mehr als die Hälfte billiger ist. Der Truthahn war lecker ... Die jungen Frauen sind tatsächlich noch vor uns. Wir müssen einfach nur hinter ihnen bleiben, und sie bringen uns direkt zum Kino, vorbei an einer alten, kleinen Kirche samt Pfarrhaus, einem Altenheim und einem Kiosk, der noch hell ist. Auf der Brücke zur Grenze begegnen uns immer noch Einkäufer, taschenbepackt oder mit Ziehwägelchen, auf dem Rückweg von Weil am Rhein.
Das Kino ist ganz oben. Wir kürzen den Weg ab durch das Parkhaus. Zielstrebig steuern wir die Kinokasse an. Es ist die Samstagabendvorstellung und zwei Schlangen Wartender stehen an. "Leider haben wir nur noch auseinander liegende Plätze", sagt der Kassierer. Nach kurzem Bedenken und einem Blick zu Meral nehme ich die Karten trotzdem. "Vielleicht können wir ja mit jemandem tauschen", sage ich. Die Vorstellung hat begonnen, und die letzten Reihen füllen sich. Unsere Hoffnung auf nebeneinander liegende Sitzplätze zerplatzt. Aber ich habe einen Platz ganz außen, und Meral setzt sich auf die Stufen neben mich. Der Film erzählt die seltsame Lebensgeschichte eines Mannes, der als Greis auf die Welt kommt und immer jünger werdend schließlich als dementes Baby in den Armen seiner großen Liebe stirbt. Das Leben ist grotesk. Speziell dieses Leben. Das Leben von Jedermann. Zwischendurch sieht Brad Pitt in dem Film wirklich aus wie Brad Pitt. Meral und ich sind gefangen vom Leinwandgeschehen. Die Geschichte wird in wunderbar poetischen Bildern erzählt, die das Herz anrühren - mal zum Lachen, und mal zum Heulen. Die Figuren erzählen von Hoffnung, Liebe und Einsamkeit; von den Träumen, die man hat, und wie das Schicksal Zeichen setzt; wie man an seinen Träumen vorbei lebt, als wären sie Inseln im Nebel; und dann reißt doch eines Tages der Schleier auf, und alles ist so, als hätte es gar nicht anders sein können. "Brad Pitt ist ein schöner Mann", flüstert Meral. Ich zucke mit den Achseln. Ein paar Minuten lang sieht er in dem Film wirklich nicht übel aus, bevor ein pubertierender Jugendlicher, der innerlich vergreist, und ein "dementes" Baby die Rolle des Benjamin Button übernehmen. Längst haben Meral und ich entschieden, dass der Film ein wahres Leinwandgedicht ist, ein Epos auf das Leben: Wie verrückt und grausam das Leben ist, und dicht daneben heiter, glücklich und voll Anmut - und alles ist geheimnisvoll, ein Mysterium.
Als wir wieder auf der Zollstraße sind, zurück in der Nacht eines Samstags im Februar 2009, verweben sich die Eindrücke wirr ineinander. Mir ist warm, obwohl es inzwischen graupelt. Zum Wiesenplatz, wo die Tram fährt, sind es gut 10 Minuten Fußweg. Die jungen Frauen sind vielleicht auch auf dem Rückweg, oder sie trinken noch eine Cola im Café des Kinocenters; oder sie bestellen etwas schärferes und reden über Brad Pitt. Wie`s aussieht, werde ich nicht jünger, denke ich, - noch pflege ich die Menschen im Altenheim, um dann eines Tages selbst die letzte Tür in meinem Leben aufzumachen. Bis dahin will ich noch vielen Menschen begegnen, die etwas zu sagen haben - wie in diesem Film, und wie Meral, und einige andere, die schon lange in meiner Erinnerung Platz genommen haben.
Wäre die Wirklichkeit nur nicht so verdammt wirklich: Eine verlauste, dicke Alte quält in der leeren Tram ihren Hund, der abwechselnd knurrt und heult ... Mich juckt ein Ausschlag auf dem Handrücken ... Wir treffen am Voltaplatz Merals Sohn, der mit einem Kumpel auf dem Weg zur Disco ist ... Im Milchhüsli bleiben wir bis zur Sperrstunde und rühren im eigenen Leben, - in unserer Liebe herum ... Wie immer trinke ich ein großes Cardinal ... Es könnte alles besser aber auch schlimmer sein.



http://wwws.warnerbros.de/benjaminbutton/
SehnsuchtistmeineFarbe - 03. Mär. 09, 22:35

ja, ein eindrucksvoller film meines lieblingsregisseurs

david fincher. dafür, dass hier eine kurzgeschichte verfilmt wurde, hat er sich viel zeit genommen. insgesamt hat auch mich dieser film berührt, besonders auch die szenen im krieg, der, wie es mir vorkam, noch nie so nah dran war an mir, bzw. ich an ihm. der immer jünger werdende brad war schon seltsam anzusehn, auch die tatsache, dass er alles nicht mehr erinnerte, weil er sich in der zeit rückwärts bewegte. als er immer mehr seiner fähigkeiten verlor, war es schier unerträglich, fand ich. mein lieblingsfilm bleibt von ihm jedoch ein anderer, in dem auch brad pitt eine hauptrolle spielte: fight club. ungeschlagen auf platz eins.

bonanzaMARGOT - 04. Mär. 09, 16:21

david fincher macht wirklich ganz gute filme. "the game" war ein echt irrer reisser. dass ich "fight club" sah, ist schon länger her, den streifen müßte ich mir noch mal ansehen ...
ich mags gern etwas grotesk und geheimnisvoll. deswegen gefiel mir "der seltsame fall des benjamin button" ausgezeichnet. ich mag den humor und die poesie, die der film ausstrahlt. er hat wunderbare bilder und zeichnet wunderbare charaktere, wie z.b. den des kapitäns. oder die kanalschwimmerin ..., dann der typ, der sieben mal vom blitz getroffen wurde. na ja, und das altenheim als kulisse fand ich freilich auch ganz aussgezeichnet. brad pitt als benjamin button war in seiner rolle für den film gar nicht entscheidend. wer wegen ihm ins kino ging, wird wahrscheinlich enttäuscht sein.
ich liebe solche kinoepen. ein film ähnlicher art ist "magnolia". auch zähle ich die teils skurrilen und unheimlichen filme von david lynch zu meinen favoriten.

inmitten der vielen schlechten und seichten kinogeschichten, freue ich mich, wenn mich mal wieder ein film nachhaltig beeindrucken konnte.
SehnsuchtistmeineFarbe - 06. Mär. 09, 09:54

the straight story

hat mir von lynch gefallen. auch der soundtrack dazu. ja, der blitzgetroffene mann, der war irgendwie ulkig. :) die kanalschwimmerin fand ich auch sehr interessant. was auch sehr skurril war, war die situation mit der messe im zelt. als brad sich aus seinem stuhl erhob und lief und der pfarrer...
fight club musst du dir unbedingt anschauen! die dialoge sind einfach göttlich. der verlauf, die wende, die auflösung... großartig. und bei the game hab ich, als ich ihn "damals" im kino sah, fest in den kinosessel gekrallt, weil ichs vor spannung kaum aushalten konnte. :)
bonanzaMARGOT - 07. Mär. 09, 16:24

Da wird schon auch viel subtiler und schwarzer Humor verarbeitet ..:
Ich finde halt gut, wenn dabei das Gefühl einer Balance entsteht: Nachdenklichkeit, Poesie und Komik wirken wie ein Dreigestirn.

"Lost Highway" von Lynch faszinierte mich sehr.

Da fällt mir noch ein toller Filmemacher ein: Stanley Kubrick, z.B. mit "Clockwork Orange".

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