Prag (2)


Der erste Tag



Ich brauchte nur lange genug am Ufer der Moldau entlangzulatschen, und ich erreichte automatisch die Innenstadt. Ein Fluss ist für den Fremden eine gute Orientierung. Ich hatte zwar den Stadtplan, aber ich musste erstmal ein Gefühl für die Proportionen kriegen. Man ist da ja quasi als Ameise unterwegs. Nach dem Frühstück im Hotel tigerte ich los. Das Sirenengeheul von Polizei und Rettungswagen gehörte zu den ersten fremden Eindrücken. Schwer zu beschreiben. Deren Sirenen heulen heller und melodischer als die deutschen. Egal.
Nach einer guten halben Stunde Fußmarsch hatte ich den Dunstkreis der City erreicht. Das sah ich schon an den Touristenströmen. Die tschechischen Namen auf den Wegweisern sagten mir gar nichts. Und als ich dann inmitten des Häusermeers war, war es auch mit der Orientierung nicht mehr weit her. Aber ich hatte ja eine Masse Zeit totzuschlagen, konnte also einfach drauf loslaufen. Auf einem großen Platz wußte ich dann schon, dass ich richtig war. Alles fotografierte, und ich schoß auch ein paar Bilder. Dann dachte ich, dass es an der Zeit wäre, mein erstes Bier zu trinken. Um die Ecke war das "Café Kafka". Nichts besonderes. Ich saß draußen und relaxte.
Als ich von Heidelberg losfuhr, war mir klar, dass zum Auffüllen der Lücken im Tagesablauf eine Lektüre ganz nützlich sein könnte, drum wollte ich mir vor der Abfahrt in der Bahnhofsbücherei einen Roman oder sowas kaufen. Ich stand vor dem Bücherregal mit der Belletristik und schaute über das bescheidene Angebot. Hm. Hm. Kafka fiel mir natürlich ins Auge. Aber dann dachte ich mir, dass ich in Prag nicht auch noch Kafka lesen wollte - das wäre in etwa wie dick Butter auf einem Wurstbrot. Einfach zu viel.
Salingers "Der Fänger im Roggen" stand da auch. Ziemlich aufreizend. Ich nahm das Buch in die Hand und wußte fast sofort, dass es das richtige war. Das ist nicht nur mit Büchern so. Auch mit Frauen. Ehrlich. Plötzlich steht da die eine richtige wie aus dem Boden gewachsen.
Also, ich mach`s kurz: ich packte "Der Fänger im Roggen" in meinen Rucksack, kaufte noch ein paar Dosen Bier als Reiseproviant und wartete im Bahnhofrestaurant auf meinen Zug.
Ewig und drei Tage wollte ich dieses Buch schon lesen. Keine Ahnung, warum ich`s bis dato noch nicht fertiggebracht hatte. Und Prag wollte ich ja auch schon seit ewigen Zeiten besuchen. Also passte das auch irgendwie - oder wie seht Ihr das?
Ich hatte also die Innenstadt von Prag gefunden, und als ich da vorm "Café Kafka" Budweiser trank, gingen mir allerhand blöde Gedanken durch den Kopf: z.B., dass ich die tschechischen Frauen ziemlich schmalarschig fand, oder dass hier auffällig viele junge Männer mit langen Haaren, zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, herumliefen - so wie die Franzosen irgendwann mal. Und später nach der xten Kneipe fiel mir auf, dass da die Popmusik der späten Achtziger und Neunziger rauf und runter lief, so als wäre die up to date - also so Sachen von Sting, Pink Floyd oder so. Ich weiß auch nicht.
Am ersten Tag bummelte ich erstmal die ganzen ausgetretenen Touristenpfade ab. Karlsbrücke und zurück. Dann wieder in die Innenstadt, in die Fußgängerzone ..., wie schon gesagt: ich schlappte gefühlt jeden Tag mindestens tausend Kilometer. Dabei wollte ich gar nicht wie ein typischer Tourist ausschauen, aber ich fühlte mich so furchtbar dämlich, weil ich mich gar nicht auskannte und immer blöd durch die Gegend glotzte. Ich erkannte die Einheimischen daran, dass sie mindestens doppelt so schnell unterwegs waren - und viel zielgerichteter. Mit den Tagen nahm ich dann auch an Tempo auf, weil ich dann schon wußte, wo das Bier besonders billig war, und wo ich sitzen wollte, "Der Fänger im Roggen" lesen und so.
Im Prinzip klappte alles ganz prima. Obwohl ich mir manchmal ein Gespräch gewünscht hätte. Es war schon ziemlich einsam - ganz allein in solch einer großen Großstadt. Immer wollte ich mir das nicht geben.
Ahoi!





Moldau Ufer





Innenstadt





Café Kafka





Karlsbrücke





vielleicht hauste hier der Typ, der mich am Bahnhof zum Taxi brachte

Anja-Pia - 17. Okt. 11, 15:31

Ich finde, Du hast ein sehr gutes "Fotoauge". Wie wärs mit einer Umschulung zum Fotografen? ;-)

bonanzaMARGOT - 17. Okt. 11, 15:45

findest du? würde ich nicht so sagen. ich habe vielleicht ein gutes künstlerisches auge - also in sachen ästhetik.
photografie interessiert mich nicht besonders. gut, dass man heute so unkompliziert fotos machen kann. einfach so. es gibt schon ungeheuer viele tolle motive - aber nur noch mit einem "kamerauge" durch die gegend zu laufen, würde mich ziemlich nerven.

also, wenn`s da konkret `ne umschulung für aktfotografie gäbe ...
Anja-Pia - 17. Okt. 11, 15:51

Der Fänger im Roggen ist übrigens Teeniliteratur. Wenn Du Aktfotografie studieren willst, wirst Du technischere Lektüre ausfassen müssen. ;-)
Freni (Gast) - 17. Okt. 11, 15:58

Männer und Technik. Zur Not kann er sie ja auch malen. Oder ZEICHNEN?
bonanzaMARGOT - 17. Okt. 11, 16:00

häh?!? wennste meinst, anja-pia, dann binn ich halt noch ein teenie. also wenn die teenies heute so wären wie der holden in "der fänger im roggen", dann hätte ich mit keinen teenies nirgendwo probleme.
also, so ein schwachsinn! haste das buch wenigstens mal gelesen?
oder nur fotodingst?
Anja-Pia - 17. Okt. 11, 16:05

Bomilein, bei uns hatten (die Mädchen) das reihenweise auf der Matura-Leseliste. Insofern ist es sogar Mädchenliteratur. *g*
Freni, was glaubst Du, wie lange Bomilein da mit einem Kunstwerk beschäftigt wäre? Er müsste ja auch davon leben können.
bonanzaMARGOT - 17. Okt. 11, 16:08

freni

im ernst - malen bzw. zeichnen täte ich schon mal einen frauen-akt. aber finde erstmal eine, die dir für umme modell steht.
das ist ja keine sache von ein paar minuten ... das geht womöglich tage, wochen, jaaaaaahhhhhre!
Freni (Gast) - 17. Okt. 11, 16:14

@Anja, vermutlich würde er sich mehr mit dem Modell beschäftigen, als mit dem Kunstwerk ansich.
@Bon, vll. stellt sich Anja zur Verfügung? *mit Schulter zuck
bonanzaMARGOT - 17. Okt. 11, 16:15

anja-pia, wie bist du denn heute drauf?

äh. mir egal, was ihr zur matura lesen musstet. wir lasen vor dem abi so sachen wie lessing, schiller, goethe und den ganzen quatsch - ist wohl auch alles teenieliteratur, weil man`s bereits als 15-18 jähriger reingetrichtert kriegt?
Anja-Pia - 17. Okt. 11, 16:15

Und ich wollte gerade fragen, ob sich vielleicht Freni zur Verfügung stellt, schließlich stammt die Idee ja von ihr. *mit-dem-Kopf-nicke*
bonanzaMARGOT - 17. Okt. 11, 16:18

sowieso seid ihr so weit weg für mich wie auf dem mond. wahrscheinlich noch nicht mal in diesem sonnensystem. also, kloppt euch wegen mir außerirdisch drum.
so`n teenie-scheiß! also echt! werdet endlich mal erwachsen!
Anja-Pia - 17. Okt. 11, 16:21

Hast Du eigentlich was von Pondaröslein gehört? Die fehlt mir in letzter Zeit.
bonanzaMARGOT - 17. Okt. 11, 16:24

nein. ich dachte doch, dass du pondaröschen bist.
und ganz ehrlich: schnecken, die mir anonym komplimente ins ohr flüstern, können mir gestohlen bleiben.
Freni (Gast) - 17. Okt. 11, 16:25

Nö Anja, von so einem ernsthaften, verbitterten und nörgelnden Maler lass ich mich nicht zeichnen. So ernst und traurig kann ich gar nicht gucken.
Anja-Pia - 17. Okt. 11, 16:26

Und ich dachte, wir hätten das in der Zwischenzeit geklärt, dass ich das nicht bin.
*P O N D A R Ö Ö Ö Ö Ö Ö Ö S L E I N!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!*
Freni (Gast) - 17. Okt. 11, 16:31

"so`n teenie-scheiß! also echt! werdet endlich mal erwachsen!"

Du bist dir sicher, dass du "Der Fänger im Roggen" gelesen hast?
Anja-Pia - 17. Okt. 11, 16:42

Freni, wir sollten nicht zu streng mit Bomilein sein. Er ist ein ganz Sensibler und außerdem romantisch veranlagt. ;-)
Freni (Gast) - 17. Okt. 11, 16:56

Jaja. Wers glaubt. *g Und jetzt werde bitte ernsthaft Anja, bevor Bon wieder hier auftaucht. Ansonsten platzt die Bombe. Ich verzieh mich lieber und versuche dabei mal ganz ernsthaft und/oder traurig zu gucken ;-) Geht nicht, Mist!
bonanzaMARGOT - 17. Okt. 11, 17:16

Jetzt, wo du's sagst, Freni, bin ich mir nicht mehr sicher, was ich las. Womöglich hieß das Buch "Der Fänger in der Klapse".

Stimmt, Anja Pia, ich bin viel zu sensibel für diese Welt ...
Freni (Gast) - 17. Okt. 11, 15:41

Verführerisch

Du fährst nach Prag um zu lesen.

bonanzaMARGOT - 17. Okt. 11, 15:47

freni, ich hatte so viel zeit, da konnte ich auch noch ein buch lesen.
nur bier trinken und in die luft gucken war mir etwas zu wenig.
Freni (Gast) - 17. Okt. 11, 15:53

Achso. Dann hast du die vielen nützlichen Reisetips deiner weblogleserinnen also einfach mißachtet.
bonanzaMARGOT - 17. Okt. 11, 16:04

was für reisetipps?
und überhaupt, ich bin doch noch gar nicht am ende meiner reiseerzählung. habe doch grad erst damit angefangen ...
also, was stänkerst du schon rum, freni?
wart`s ab.
ich war in prag. das ist fakt. ehrlich. und ich fand`s ganz okay. manchmal sogar berauschend. und manchmal nervig. aber insgesamt eben okay. sogar mehr als das.
merkt man das nicht?
keine sorge, du musst die wette nicht einlösen. ich trank genug pilsner urquell in prag - das reicht in etwa, bis ich scheintot im altenheim liege.
Freni (Gast) - 17. Okt. 11, 16:47

Die Reisetips such' ich jetzt nicht zusammen. Das musst du schon selber machen. Ist ja schließlich dein weblog.
Außerdem stänkere ich nicht, sondern ich habe nur geschrieben, dass....ach, egal. Du weißt ja eh alles besser. Ich freue mich, wenn es dir in Prag gefallen hat. Deine Artikel klingen nicht grade überzeugend. Mir fehlt da die Begeisterung. Wettschulden sind Ehrenschulden. Du kriegst dein Bier, versprochen! Auch wenn ich eigentlich gewonnen habe. So!
bonanzaMARGOT - 17. Okt. 11, 17:11

Kannst dir das verf...kte Bier sparen. Ich hasse schlechte Verlierer. Von denen will ich nichts. Die können sich ihre Ehre wegen mir an den Hut stecken!

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