Noch einmal die Schulbank drücken?


Die Rentenversicherung in Charlottenburg ist ein großer, quadratischer Klotz. Ich stieg die Treppen zum Eingang empor – in einem solchen Gebäude, stelle ich mir vor, residiert Gott. Das Foyer war riesig und kühl, draußen knallte die Sonne. Ich brauchte ein bisschen, um mich zu orientieren und stiefelte munter drauf los.
„Wohin wollen sie denn, junger Mann?!“, herrschte mich eine schrille Stimme an. Ich hatte die Pförtnerin in ihrem Kabuff total übersehen.
„Entschuldigung, ich bin das erste Mal hier, ich habe einen Termin in Zimmer X.XXX.“
„Zeigen Sie mir mal ihre Einladung.“
Ich reichte Ihr das Schreiben von der Rentenversicherung.
„Gut setzen Sie sich in den Wartesaal. Ich sage Herrn X Bescheid, dass Sie hier sind. Er holt Sie ab.“

Der Reha-Fachberater begrüßte mich lässig in kurzen Sporthosen und T-Shirt. Er mochte Mitte Dreißig sein, - ohne besondere Ausstrahlung – Bartstoppeln zierten sein Gesicht. Ich folgte ihm durch lange Flure hindurch in sein Büro. Behörden vermitteln mir ein Gefühl der inneren Leere und Ohnmacht – ich weiß auch nicht, warum. Nach einer Stunde verließ ich die Rentenversicherung mit einigen Vorschlägen zur Weiterbildung in der Tasche. Ich blinzelte erleichtert in das grelle Tageslicht.
Das war vor zwei Wochen. Gestern stellte ich mich in der Akademie S. vor für die einjährige Fortbildung zur Medizinischen Dokumentationsassistenz. Die Schule ist in Neukölln und macht einen guten Eindruck: die Niederlassungsleiterin führte mich durch die Räumlichkeiten. Alles wirkte seriös, sauber und ordentlich. In einigen Räumen wurde gerade unterrichtet.
Ohne viele Formalitäten erhielt ich eine „Anmeldebescheinigung“. Nun liegt es bei mir. „Wenn Sie sich anders entscheiden, rufen Sie einfach an und zerreißen die Bescheinigung“, meinte die Schulleiterin.
Sollte ich wirklich bald wieder die Schulbank drücken? Sie sagte, dass es vielfältige Einsatzmöglichkeiten für dieses Berufsbild der Medizinischen Dokumentationsassistenz gäbe. Würde mir die Arbeit überhaupt liegen? Ich muss mich bald entscheiden, denn die Kurse beginnen am ersten September. Mir war etwas klamm ums Herz. Ich spazierte durch Neukölln zum Treffpunkt mit O.. An der Sonnenallee machte ich Rast im Bierbaum...

la-mamma - 13. Aug. 15, 13:13

ich tät´s machen. sonst sind sie womöglich too much daheim. und das ist nicht sehr beziehungsförderlich;-)

bonanzaMARGOT - 13. Aug. 15, 20:24

hm

ab september arbeitet meine partnerin wieder, und wir würden sowieso nicht den ganzen tag aufeinander hocken...
nicht dass mir die schule "too much" wird, denn in die schule gehen habe ich noch nie besonders gemocht (außer ganz am anfang).
KarenS - 13. Aug. 15, 15:22

Ist doch super! Ich würde es machen, ohne mit der Wimper zu zucken.

Ist doch zig Mal besser, als in der Altenpflege. Meine Meinung.

bonanzaMARGOT - 13. Aug. 15, 20:28

zumindest läuft das geld weiter, und ich bekomme eine (neue) berufliche chance. in der altenpflege, wie ich sie seit über 20 jahren machte, würde ich sehr wahrscheinlich nicht bis zur rente durchhalten.
ich werd`s probieren, denke ich.
ich bin gespannt auf die neuen erfahrungen...
iGing - 13. Aug. 15, 21:05

Ein reiner Schreibtischjob, oder?
Und wie sind die Aussichten, den auch tatsächlich zu kriegen?
Also, ich weiß nicht recht ...
Aber ich hätte deinen vorigen Job ja auch nicht machen wollen oder können.
Was du selbst dazu schreibst, wirkt recht positiv. Dann drück' ich dir die Daumen, dass es dir gelingt, dich damit zu arrangieren!

bonanzaMARGOT - 14. Aug. 15, 10:53

hi iging

ja, ein computer-job. ich hoffe nur, dass der stoff nicht zu trocken ist... nach über 20 jahren pflege habe ich nicht unbedingt etwas gegen eine arbeit im büro.
als med. dokumentationsassistent gibt es vielfältige einsatzmöglichkeiten, darum sollten meine berufschancen danach ganz gut sein. nur mein fortgeschrittenes alter könnte die chancen etwas mindern.
wenn gar nichts geht, arbeite ich wieder irgendwo in der pflege... eben eine leichtere tätigkeit als bisher.

danke für deine guten wünsche!
NBerlin - 13. Aug. 15, 22:37

Machen!

Ich würde es machen. Tut doch gut die grauen Zellen endlich mal wieder zu bewegen und wenn du danach noch einen neuen Job hast, umso besser.

bonanzaMARGOT - 14. Aug. 15, 10:58

klar, gegen frische anregungen haben die grauen zellen nichts einzuwenden.
der unterricht geht täglich von 8 bis 15 uhr - das wird allerdings eine umstellung für mich!
Lange-Weile - 14. Aug. 15, 09:39

schwierig zu beantwortenn

Hallo Bo.,

grundsätzlich finde ich Schulbank drücken immer spannend und bereichernd, setzt neue Impulse, soweit man auch das Thema, was dort vermittelt wird einem auch wirklich interessiert.

Wie IGing schon schrieb. ein reiner Schreibtischjob ..das ist nicht jeder Mann´´s Sache und wenn einem das nicht gefällt, ist Kac.. am dampfen.
Mich hatte die Umstellung auf reine Schreibtischarbeit fast krank gemacht, weil mir die Menschen fehlten, mit denen ich gern gearbeitet hätte. Ich hatte tagtäglich nur 1 Gesicht vor der Nase und mein Gegenüber auch nur, nämlich meins.

Aber was mich stutzt ist die kurze Ausbildungszeit, die dafür vorgesehen ist. Das hört sich nach einem Zertifikat und nicht nach einem echten Anschluss an. Meine Erfahrung war, dass ich mir die Zertifikate an die Wand nageln konnte, denn die wollte keiner sehen. Ich sollte eine klassische Ausbildung nachweisen.

Wenn es eine Umschulung mit echten Abschluss ist - aber bei einem Jahr ? - dann kann man damit vielleicht weit in die Zukunft schauen.

Meine Freundin machte eine 1 Jahres Umschulung sogar mit Abschluss, doch sie kam damit über ein unbezahltes Praktikum nicht hinaus.

Ich drücke dir meine Daumen für deine Entscheidungsfindung und den neuen Weg, der sich, so denke ich, ohne Umschulung schwierig gestaltet und hat man sich erst mal für eine Umschulung entschieden, dann wird eine weitere nicht mehr bewilligt.

LG La We


bonanzaMARGOT - 14. Aug. 15, 11:27

einen abschluss erhalte ich auch, aber ob der gleichwertig mit der vollen ausbildung zum med. dokumentationsassistenten ist, weiß ich nicht (sollte ich mal erfragen).
die rentenversicherung investiert in mich keine zwei- oder dreijährige berufsausbildung oder studium mehr. alle angebote beschränken sich auf fortbildungen von höchstens einem jahr dauer. und natürlich sind das zumeist schreibtisch-jobs, denn der grund für meine berufliche rehabilitation ist ja, dass ich in der pflege aus gesundheitlichen gründen nicht mehr einsetzbar bin.
schwer zu sagen, ob ich mich richtig entscheide, wenn ich diese fortbildung beginne... und wie du es sagst, eine zweite chance gibt mir die rentenversicherung nicht, falls ich abbreche.
als ich vorgestern die schule besuchte, hätte ich am liebsten spontan zugesagt - doch nun komme ich ins grübeln...
Lange-Weile - 14. Aug. 15, 19:50

nichts zu verlieren

Hallo Bo.,

wenn die Rentenversicherung nur 1 Jahr Fortbildung finanziert und der Dokumentantionsassistent auf das Wissen deiner Ausbildung sogar aufbaut, dann passt es ja. Eine komplette Umschulung steht nicht auf den Plan und damit verkleinert sich der Entscheidungsrahmen deutlich.

Auch ein anderer Vorteil einer Fortbildung außer neue Bildungsimpulse würde ich an deiner Stelle in Betracht ziehen. Du lebst erst seid kurzem in Berlin und eine Fortbildung gibt dir die Möglichkeit, neue Menschen in Berlin kennen zu lernen. Ich erlebe die Berliner immer als erfrischende Menschen und das nicht nur allein durch ihrer Berliner Schmautze.

Ist schon außergewöhnlich, dass sich nur in einer Stadt ein Dialekt rausbilden kann.. aber das nur am Rande.

Vielleicht hast du noch weitere Möglichkeiten der Fortbildung, aber das wäre nur eine kleine Entscheidungsgrundlage. Du hast ja geschrieben, dass du am liebsten vor Ort schon die Zusage gemacht hättest. Ich denke, das war auch ein deutlicher Impuls aus dem Bauch heraus. Nicht immer gibt uns der Verstand die perfekte Antwort und aus dem Bauch heraus erscheint erst mal nicht alles logisch.

Zeit zum überdenken ist trotzdem sinnvoll, damit man im Nachgang nicht mehr ins Grübeln kommt.

Die Perspektive ist bei dir, wenn ich dich richtig verstehe, entweder in den alten Job zurück zu kehren, oder einen Job als Ungelernter annehmen oder eine Fortbildung machen.

ich denke, unter diesen Umständen hast du nichts zu verlieren, wenn du die Fortbildung macht, die dir angeboten wird und dir am liebsten wäre.

Ich wünsche dir und O. ein schönes Wochenende

LG La We

bonanzaMARGOT - 14. Aug. 15, 20:14

so sehe ich es auch: ich habe eigentlich nichts zu verlieren. so schlimm wird die fortbildung schon nicht sein... ich gehe aber von einem guten zugewinn an fachlichem wissen aus - hinzu kommt neue lebenserfahrung und die daraus resultierenden sozialen kontakte in berlin.
vielleicht ist es sogar das beste, was ich erstmal tun kann. zudem bekomme ich ein übergangsgeld, welches etwas besser ausfällt als das bisher bezogene arbeitslosengeld..., und das arbeitsamt sitzt mir nicht mehr im nacken.
ich sagte heute telefonisch zu - aber natürlich kann ich bis zum anfang am 1. september immer noch absagen.

dir auch ein schönes wochenende!
Pendlerin - 14. Aug. 15, 13:00

Wenn ich du wäre, würde ich mir einen Job suchen.

bonanzaMARGOT - 14. Aug. 15, 20:15

hm. ja. hm

jetzt wo du`s sagst - um die ecke werden tellerwäscher gesucht...
C. Araxe (Gast) - 14. Aug. 15, 20:37

Zeitungen austragen ist auch richtig gut.
Ähm, ja ...

Pflege allgemein hat auf jeden Fall Zukunft. Und nicht nur Pflegefachkräfte, sondern auch spezialisierte Fachkräfte. Einzig Gehalt und die Art der Arbeit (Schreibtisch) ist überdenkenswert.
bonanzaMARGOT - 15. Aug. 15, 09:28

da stimme ich dir zu, c. araxe.
und was die büroarbeit angeht: ich war in meinem früheren leben techn. zeichner und habe die noch ganz gut in erinnerung.
letzlich kommt es immer auf die kollegen/kolleginnen, den chef und das betriebsklima an.

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