Samstag, 3. November 2018

Gute Nacht Saigon


In der letzten Woche bemühte ich mal wieder den Lieferdienst für Lebensmittel. Nicht dass ich eine Lieferung unbedingt gebraucht hätte. Bier war noch genug da. Aber irgendwie war mir öde. Wenn ich sage, dass mir öde ist, meine ich nicht direkt langweilig. Es ist eher ein Gefühl von Öde – wie soll ich das beschreiben? Hm… Man kann sich das in etwa so vorstellen: Du fickst und fickst und fickst, aber kommst nie zum Orgasmus.
Die Bestellung von Lebensmitteln übers Internet hilft dabei im Großen und Ganzen gar nichts… Hm. Wahrscheinlich verstehen das nur Menschen, die das Gefühl der Öde original haben oder zumindest kennen. Jedenfalls erwartete am letzten Donnerstag eine Lieferung. Jemand klingelte endlich mal an meiner Tür, nicht aus Versehen, sondern weil er zu mir wollte! Nur zu mir zu mir zu mir! Wow!!
Ich wartete eine gute Stunde auf ihn. Es war später Nachmittag. Ich lag auf der Couch und zog mir eine Folge der Serie M.A.S.H rein. Köstlich! Ich vergaß den Lieferservice ganz.
Plötzlich war es soweit, und ich sprang wie von der Tarantel gestochen hoch. Alles hatte ich akribisch vorbereitet: Im Flur brannte Licht und das Portemonnaie lag im Schuhregal griffbereit. Ich will die Sache immer so schnell wie möglich abwickeln, weil ich weiß, wie sehr die Jungs in Eile sind.
Der Typ hatte es aber diesmal gar nicht so eilig. Nachdem ich die Rechnung (plus Trinkgeld) bezahlt hatte, fragte er mich, ob meine Miete sich auch schon erhöht hätte, er würde ganz in der Nähe wohnen. Nein, antwortete ich, – ich wusste, dass er auf die Gentrifizierung des Wohngebiets anspielte. Er nannte einige Horror-Mieten, von denen er gehört hatte. Nein, das könne ich mir auch nicht leisten, sagte ich. Warum er dann noch betonte, dass er Türke ist, weiß ich nicht. Hier ist schließlich jeder zweite oder dritte Türke. Ich lächelte freundlich und dachte: Baby, mach dich besser vom Acker, ein Türke fickt meine Ex… Natürlich bin ich weder nationalistisch noch rassistisch gesinnt, aber situationsbedingt ergeben sich bei mir gerade unangenehme Ressentiments.
Als ich die Tür hinter ihm schloss, kehrte ich zurück zu meiner Öde. Eines der Fertiggerichte in die Mikrowelle… und ein paar Minuten später futterte ich den Schweinefraß. Gute Nacht Saigon.
Okay, ich weiß, in M.A.S.H ging es um den Korea- und nicht um den Vietnamkrieg. Na und?

TV-Tipp

"Misery", 20 Uhr 15, RTL II

Leberwurstbrot


Der Wahnwitz hat zwei Beine und nennt sich Mensch. In einer der letzten Nächte träumte ich von einer neuen weltweiten Marke, die sich „Leberwurstbrot“ nennt: Neben allen möglichen Produkten, für die sie steht und überhaupt nichts mit Leberwurstbroten zu tun haben, nimmt sie auch Einfluss auf die Politik. In ihrem Namen wird eine weltweite politische Bewegung gegründet. Überall prangen fortan Werbebanner mit dem Schriftzug „Leberwurstbrot“… Genial! fand ich im Schlaf und war hin und weg von dem erdachten Label.

Momentan fühlt sich das Leben an wie ein Puzzle ohne Orientierungsbild. Wie von selbst reihen sich die Wochen aneinander und unterscheiden sich kaum merklich voneinander. Dabei leben wir in rasanten und spannenden Zeiten. Politisch ist einiges in Bewegung, die technische Entwicklung explodiert geradezu (nur beim Diesel nicht), und das Klima spinnt. Aber all das erreicht mich nur wie durch Watte – als würde sich mein Leben im Auge des Sturms abspielen. Bin ich alleine mit dieser Empfindung? Bei mir kommt freilich noch eine persönlich bedingte Lethargie hinzu, welche das Gefühl des Stillstands und der Leblosigkeit verstärkt. „Zwick mich, damit ich spüre, dass ich lebe!“ rufe ich. Doch da ist niemand.

Ich nehme mein Herz und schmiere es an die Wand. Seltsam, es ist gar nicht rot, denke ich, es sieht eher aus wie ein Leberwurstbrot.

ein literarisches Tagebuch

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