Donnerstag, 1. August 2013

TV-Tipp:

"An Englishman in New York", 2o Uhr 15, ZDFkultur

Zum Kotzen


Am Fahrrad war eine Speiche gebrochen. Das Hinterrad musste zentriert werden. Ich holte mein Bike gestern ab. Die Reparaturkosten hielten sich im Rahmen.
Der Tag war schwül. Am Liebsten wäre ich liegengeblieben. Die vier Nächte steckten mir in den Gliedern. Ich fühlte mich matt. Schon der kurze Spaziergang zur Bushaltestelle nervte mich. Ich musste zweimal die stark befahrene Straße überqueren. Auto an Auto rauschte an mir vorbei. Dann wartete ich zehn Minuten an der Haltestelle, die direkt an eine Baustelle grenzt. Ich beobachtete den Bagger und die Leute vom Bau …
Der Bus war voll. Wahrscheinlich ein Seniorenausflug. Ich quetschte mich irgendwie hinein. Endlich umsteigen in die Straßenbahn. Etwas mehr Platz und Ruhe.
Gegenüber eine Blinde mit Blindenhund. Die sah das ganze Chaos wenigstens nicht. Ich musste noch zum Geldautomaten. Die Sparkasse war eine Baustelle, und der Geldautomat hing in einer Bretterbude im Hof. Ein Kilometer Fußweg zur Fahrradwerkstatt. Ich lief Wege abseits der Hauptverkehrstrasse – trotzdem fühlte ich mich von Autos und Motorenlärm umzingelt.
Endlich habe ich mein Fahrrad wieder. Ich ordnete mich in den Verkehr ein. Äußerste Aufmerksamkeit war gefordert. Feierabendverkehr. Fußgänger, Fahrradfahrer, Straßenbahnen, Autos und Motorräder – alles durcheinander im Irrgarten der Stadt. Am liebsten wäre ich gleich auf die Felder außerhalb geflüchtet, aber der Durst war stärker. Ich setzte mich auf einen Platz und bestellte ein Bier. Ein Hefeweizen. Kinder spielten hinter meinem Rücken Fußball. Sehr inbrünstig. Der Ball donnerte gegen die Begrenzungsgitter einer Baustelle und gegen ein Kirchentor, welches als Fußballtor diente. Ich war ausgetrocknet und trank zwei Hefeweizen. Die Bedienung war hübsch und super eingebildet. Ein Abziehbild.
Retour radelte ich über die Felder und durch die Weinberge. Stippvisite im Biergarten der Kleintierzüchter. Das Brüllen der Stadt noch in meinen Ohren. Ich sah auf alles, als wäre es von einem anderen Stern. Die Menschen waren mir fremd – von einer anderen Gemüsesorte als ich.
Ich musste noch in den Supermarkt. Nochmals der Irrsinn im Quadrat. Menschen, die kein eigenes Leben mehr haben – Sklaven ihrer Autos. Das dumme Objekt hat die Menschheit befallen wie ein Virus eine Körperzelle.
Nach dem Einkauf landete ich vorm Kaffeehaus. Fast alle Tische waren besetzt. Die Menschen schnatterten wie eine Gänseherde, - aßen, tranken. Ich fand meine Ruhe nicht. Ich fühlte mich schlapp und kraftlos und hatte nicht mal Lust auf eine Lektüre. Stattdessen schaute ich in die Runde. An einem Nachbartisch saßen zwei Hochschwangere mit ihren Männern. Ich verstand nicht, was sie erzählten. Der Brunnen plätscherte. Autos fuhren vorbei. Aber ich weiß noch, was ich dachte: Ich dachte, dass es nicht zusammenpasst: ihre Schwangerschaft und das ganze Brimborium menschlicher Umtriebe. Ihre Bäuche waren dick und prall wie Medizinbälle. Sie würden bald neues Leben gebären. Sie würden mit dem Auto ins Krankenhaus fahren, und mit dem Neugeborenen im Auto zurück ...
Ich radelte die letzten zwei Kilometer den Berg hinauf zu meiner Wohnung. Vorbei an der großen Tunnelbaustelle. Überholt von tausenden Autos. Schreien wollte ich.
Zuhause kotzte ich in die Spüle.

ein literarisches Tagebuch

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