Mittwoch, 3. Juli 2013

TV-Tipp:

"Die Hölle von Henri-Georges Clouzot", 23 Uhr 5, BR

Die Einmischung


Ich schätzte das Mädchen 9 oder 10 Jahre alt. Die Mutter saß am Nachbartisch mit einem Bekannten oder ihrem Freund. Ich glaube nicht, dass es der Vater war, weil das Mädchen immer zur Mutter lief, und er sich in die Mutter-Tochter-Kommunikation nie einmischte. Ich saß nach einer kleinen Fahrradtour vorm Kaffeehaus in der Sonne und trank Weizenbier. Mir fiel die Frau unangenehm auf, weil nur sie zu reden schien, und immer hatte ihre Stimme diesen belehrenden, vorwurfsvollen Tonfall, bei dem sich mir die Zehennägel hoch biegen. Ein richtiger Besen diese Frau. Sie bestand hauptsächlich aus Galle, und das Mädchen musste am Meisten darunter leiden. Die Mutter schimpfte auf eine Lehrerin ihrer Tochter und kam dabei selbst wie eine unsympathische, autoritäre Lehrerin rüber. Vielleicht wollte das Kind einfach mal in den Arm genommen werden. Stattdessen folgte ein verbaler Hieb nach dem anderen. Ständig hörte ich von der Mutter Aussprüche wie: „Du sollst nicht …, du darfst nicht …, was willst du schon wieder?“ Woraufhin sich das Mädchen trollte und zum Brunnen auf der Mitte des Platzes lief, an dem noch andere Kinder spielten. Die Mutter wollte in ihrer Unterhaltung mit dem Freund oder Bekannten nicht gestört werden. So viel war mir auch klar, aber wie sie ihre Tochter abfertigte, fand ich einfach nur ätzend. Ich konnte mich auf nichts anderes mehr konzentrieren. Schließlich, als das Kind sich mal wieder gesenkten Hauptes zurückgezogen hatte, platzte es aus mir heraus:
„Entschuldigen Sie, dass ich mich einmische, aber müssen Sie ihr Kind derart demütigen?“ Ich weiß nicht mehr genau, was ich alles sagte. Ich versuchte mich zu beherrschen. Die Mutter ging sofort zum Gegenangriff über:
„Haben Sie Kinder?“
„Was spielt das für eine Rolle? Ich erkenne, wenn ein Mensch ungerecht behandelt wird.“
„Gehen Sie doch zu der Kleinen und kümmern Sie sich um sie!“
„Ich habe keine Beziehung zu ihr."
„Aha! Was mischen Sie sich dann ein?“
„Weil wir in einer sozialen Gesellschaft leben und man nicht immer wegschauen sollte.“
„Mal sehen. Vielleicht finde ich bei Ihnen auch etwas.“
Unser Wortgeplänkel ging noch kurz hin und her.
„Ich musste das einfach loswerden“, sagte ich abschließend.
Mit einer Lektüre versuchte ich mich von dem Nachbartisch abzulenken. Ein wenig Wirkung zeigte meine Kritik – die Mutter ging etwas mehr auf ihre Tochter ein, als die wieder ankam. Ich wäre vielleicht noch länger beim Bier in der Sonne sitzen geblieben, aber eine richtige Gemütlichkeit wollte an diesem Ort nicht mehr aufkommen; so zahlte ich und radelte mir meinen Ärger vom Leib. Warum hatte ich mich nicht zusammengerissen!? So eine dumme Person! Das Mädchen tat mir leid. Denn diese Frau hatte sicher nicht nur einen schlechten Tag gehabt – die war immer ein solcher Besen! Am Ende musste das Mädchen noch für meine Einmischung büßen ...

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