Dienstag, 10. April 2012

Was gesagt werden muss


Ähnlich hätte ich es auch schreiben können, was Grass in seinem politischen Prosagedicht kritisch zur Haltung des Westens und zur Atommacht Israel sagt.
Israel ist eben nicht immer auf der Seite der Guten, wenn es im Nahen Osten politisch und kriegerisch agiert. Und die Araber sind nicht immer die Bösen. Dieses über Jahrzehnte vor allem im Westen verfestigte Bild ist falsch, - was nicht heißt, dass es umgekehrt ist. Nein. Es ist vielmehr unendlich schwieriger und bedarf einer detaillierten und möglichst objektiven Beobachtung und Reflexion.
Grass sagt in der Tat etwas, was endlich gesagt werden muss.
Ebenso wie der ehemalige amerikanische Präsident Bush während seiner Amtszeit durch sein simples Weltbild und seine kriegerische Aufrechnung mit dem Irak und dem Diktator Saddam Hussein eine Gefahr für den Weltfrieden war, so könnte Israel mit einem Erstschlag gegen den Iran eine Welle von Gewalt und Krieg auslösen, welche weltweit Auswirkungen und Opfer zur Folge hätte.
Natürlich kann man darüber kontroverser Meinung sein, wie man einem Diktator vom Schlage eines Ahmadinedschad (dessen Namen ich mir nie merken werde) zu begegnen ist. Krieg sollte aber, dies sollte uns die Geschichte gelehrt haben, immer die allerletzte Handlungsoption darstellen.
Reicht die Bedrohung, die vom Iran gegenüber Israel und der restlichen Welt ausgeht, bereits aus, um einen Erstschlag zu rechtfertigen? Ich bezweifle das. Aber was weiß ich schon? Was wissen wir über die tatsächliche Situation?
Ich meine, dass der 11. September niemals eine Rechtfertigung sein darf, dass die USA willkürlich Länder überfällt, welchen sie eine Unterstützung der Terrororganisation al Quaida unterstellt. Ebenso wenig darf Israel einen Freischein für kriegerische Aktionen gegenüber seinen Nachbarländern haben. Gerade die zivilisierte westliche Welt sollte von der simplen Unterteilung in Gut und Böse abrücken und näher hinschauen. Bei aller Sympathie und Solidarität für Israel wegen seiner schwierigen (geographischen) Lage und Geschichte, Kritik an der Politik Israels muss möglich sein. Auch von deutscher Seite. So gibt es in Israel eine Menge zionistische Fanatiker, die immer stärkeren Einfluss auf Gesellschaft und Politik nehmen. Aber Israel ist eine Demokratie. Und als Demokratie sollte sich dieses Land beweisen.
Grass in Zukunft die Einreise zu verweigern, ihn zur Persona non grata zu erklären, deutet in meinen Augen nicht auf eine reife demokratische Kultur in Israel hin. Das hat der Literaturnobelpreisträger nicht verdient. Ich halte sein Gedicht keinesfalls für das Zeugnis eines senilen Dichters, der den Realitätssinn verloren habe, wie von einigen gesagt wird, im Gegenteil, Grass beweist mir in diesem Gedicht, dass er sich nicht die Augen zubinden lässt. Er sagt offen seine Meinung über Israel und bricht damit ein lange gepflegtes Tabu in unseren Breiten. Die heftigen Reaktionen zeigen, dass er wohl den Finger auf eine Wunde legte. Er machte etwas, was man nicht offen machen darf. Er sagte etwas, was man in politischen und prominenten Kreisen bestenfalls hinter vorgehaltener Hand sagt. Das gefällt mir! Und sicher ist Grass kein Antisemit. (Und ich auch nicht.)
Vielleicht lese ich nun auch mal seine Bücher.



Links:

http://de.wikipedia.org/wiki/Was_gesagt_werden_muss

zum Gedicht:

http://www.sueddeutsche.de/kultur/gedicht-zum-konflikt-zwischen-israel-und-iran-was-gesagt-werden-muss-1.1325809

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Neben mir im Bahnhofsrestaurant an der Bar saß ein Neonazi, ein bulliger Typ. Manche Fressen prägen sich einem ein. Ich hatte ihn vor fünfzehn Jahren vor dem Umbau des Bahnhofsrestaurants kennengelernt. Da war es noch mehr eine Kneipe, und es saßen oft einige zwielichtige Personen darin. Jetzt sah ich dieses Arschloch drei Barhocker neben mir und erinnerte mich. Er war fett geworden. Damals hatte er mich in Gespräche über den Zweiten Weltkrieg, über die Juden, Ausländer und Frauen verwickelt. Ich weiß nur noch, dass er seine üble Gesinnung rhetorisch geschickt formulierte. Er fühlte sich wohl in der Naziideologie, welche die Welt in Ober- und Untermenschen unterteilt.Von seinem Selbstbewusstsein hatte er nichts eingebüßt. Er sprach mich an: „Kennen wir uns nicht?“ „Nein“, log ich unverfroren und vermied es, ihn länger anzuschauen. In der Glaswand gegenüber sah ich, dass er mich immer wieder musterte, und er wiederholte: „Kennen wir uns nicht?“ Er nannte einen Städtenamen. Also er war auf der falschen Fährte. Und ich atmete innerlich auf.
„Nein, ich kenne dich nicht“, wiederholte ich.
„Du bist einem Freund sehr ähnlich, den ich mal hatte“, sagte er.
„Der bin ich nicht, sonst würde ich mich sicher erinnern.“
Ich beeilte mich, mein Weizen auszutrinken. Eigentlich wollte ich noch pinkeln gehen, aber ich befürchtete, dass er mir auf die Toilette folgen würde. Schwer zu sagen, was in solch kranken Köpfen vorgeht. Jedenfalls war der Typ keiner von der doofen Sorte, und darum schätzte ich ihn schon damals für gefährlich ein. Er spürte, wenn er Macht hatte über Menschen und benutzte sie, - vor allem gegenüber Frauen, wie er mir erzählt hatte. Wenn ihm die Worte ausgingen, würde er seine globigen Hände einsetzen, daran zweifelte ich nicht. Ich konnte seine Brutalität förmlich riechen. Nein, ich hatte keine Angst vor ihm. Aber ich verspürte ein Unbehagen wie ein Warnsignal. Angst durfte man nicht haben, denn das merkten diese Typen sofort. Da hatte man gleich verloren.
Ich setzte das Weizenglas ab und verabschiedete mich höflich. Soll er noch ein wenig herumrätseln. Oder er wusste längst, woher er mich kannte. Egal.
Nach einem kleinen Einkauf im Bahnhof ging ich zum Taxistand. Hinter mir lagen acht Stunden Bahnfahrt. Ich war erschöpfter, als ich dachte. Zuhause stellte ich die Reisetasche achtlos auf den Tisch. Ich zog mich erst mal um, machte es mir bequem. Computer ein. Fernseher ein. Plötzlich hörte ich einen dumpfen, lauten Schlag. Die Reisetasche war auf den Boden gefallen, und die gekaufte Weinflasche darin in tausend Scherben zerplatzt; der Rebensaft hatte sich über die Reiseutensilien ergossen. Ich fluchte. Ein Päckchen, das ich für meine Freundin zur Post bringen sollte, war auch weingetränkt. So ein Scheiß, dachte ich verärgert. Im Fernsehen lief „Kleines Arschloch“. Ich war müde und überreizt. Morgen Abend musste ich schon wieder ins Altenheim. Alles stürmte auf mich ein: meine Liebe, die Erlebnisse im fernen Land, unsere Zukunftspläne, die Reise … Ich konnte es schlecht in Worte fassen, ich kann es immer noch nicht richtig ausdrücken. So viel Neues und Schönes passiert derzeit. Ich habe Angst, und will es nicht zugeben. Ich habe Angst, dass ich meine Freiheit verliere. Aber ich will lieben. Doch.






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