Mittwoch, 12. Januar 2011

Oberflockenbach verschoben


Klaus wollte mich nach Oberflockenbach zum Essen einladen, damit ich ihm sein neues Iphone erkläre, doch dann kam das Iphone nicht, auf das er mittlerweile schon seit vier Monaten wartet. Er bot mir an, trotzdem nach Oberflockenbach zu fahren. Am Abend vorher hatten wir uns im Kaffeehaus ein Wenig über den Dioxin-Skandal in die Wolle gekriegt. Er war der Meinung, dass der Verbraucher durch sein naives Kaufverhalten selbst Schuld sei. Und ich verteidigte den Konsumenten. Nach dem vierten dunklen Hefeweizen vielleicht etwas zu eifrig in Lautstärke und Gestik. Ich merkte gar nicht, wie sehr ich mich aufregte.
Bei jedem Skandal, an welchem das System eine wesentliche Mitschuld trägt, wird die Verantwortung am Liebsten an das schwächste Glied weiter gereicht. Im Falle von Lebensmittelskandalen sind es die naiven Konsumenten, die dem Slogan „Geiz ist geil“ folgend durch den Einkauf von Billigprodukten erst die Lawine ins Rollen bringen, welche dann zu den verbrecherischen Mißständen fast zwangsläufig führt; und im Falle von politischem Unvermögen, wird der Wähler vorgeschoben, der die Deppen schließlich an die Macht brachte. Erst benutzt man die Basis, um an die Macht zu kommen; wenn der Karren dann im Dreck steckt, ziehen die hohen Herren den Kopf ein. Sie sondern Sprüche ab wie: „Der mündige Bürger wollte es doch nicht anders“, oder: „Wie kann man nur so dumm sein, zu glauben, was auf der Verpackung steht“. Genausogut könnte ich, nachdem ich ein Auto schuldhaft in den Graben setzte, monieren: „Scheiße, das Auto machte einfach, was es wollte!“
Solche Mogeleien regen mich immer wieder auf, und so stritt ich mit Klaus, obwohl wir wahrscheinlich gar nicht sehr unterschiedlicher Meinung sind, was das fehlerhafte System als Ganzes angeht.
Ich sagte das Unternehmen Oberflockenbach per SMS ab. Ich hatte einfach nicht den Nerv. Schon gar nicht auf weitere Diskussionen. Meist wird‘s politisch, wenn Klaus und ich zusammen sitzen.
Ich fuhr in die Stadt und holte meine Armbanduhr ab, die ich im alten Jahr in Reparatur gegeben hatte. Welle und Krone waren ersetzt worden. Der Uhrenverkäufer grüßte unerwartet freundlich, und ich trat mit meiner Uhr am Handgelenk beschwingt aus seinem Laden auf die Straße.
Im "Bierkrug" kniete der Koch in einer Ecke und bohrte. Renate sagte: „Willkommen auf der Baustelle.“ Ich setzte mich erst gar nicht und ging weiter zum „Coyote Café“.

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